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Vom Mut, die eigene Realität zu schaffen

Eine Frau und ihr Minibus auf der Reise durch das Weltall: Am 21. März feiert im Nest Gaye Su Akyols Pop-Oper Consistent Fantasy is Reality – eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin – ihre Österreichpremiere. Dramaturgin und Librettistin Julia Jordà Stoppelhaar stellte der Künstlerin im Vorfeld der Uraufführung in Berlin drei Fragen zum Projekt.

Consistent Fantasy is Reality ist eine Übersetzung von »İstikrarlı Hayal Hakikattir«, einem Lied und Video, das du 2018 veröffentlicht hast. Was hat dich dazu bewegt, die Botschaft von »İstikrarlı Hayal Hakikattir« in einem Musiktheaterwerk weiterzuentwickeln?

Gaye Su Akyol: Meine Alben waren schon immer klangliche Universen, in denen sich Geschichtenerzählen, Bildsprache und Philosophie miteinander verweben. »İstikrarlı Hayal Hakikattir« war ein Manifest des Widerstands durch Vorstellungskraft, ein Aufruf, die Realität infrage zu stellen – eine Realität, die ich für eine von Macht konstruierte Fiktion halte. Diese Idee in ein musikalisches Werk zu überführen, fühlte sich wie eine natürliche Weiterentwicklung an – die Grenzen von Erzählung, Klang und Performance zu erweitern, um eine multidimensionale Erfahrung zu schaffen. Ich wollte das Publikum auf eine Reise mitnehmen, in der Musik visuelle Elemente und Emotionen zu etwas Immersivem verschmelzen – etwas, das über die Bühne hinaus nachhallt.

Einige deiner bekannten und beliebten Songs sind in dieser Show enthalten, aber du hast auch viele neue Stücke geschrieben …

Gaye Su Akyol: Diese Show gab mir die Möglichkeit, über die Struktur eines Albums hinaus zu experimentieren. Ich habe verschiedene musikalische Genres erkundet, meinen Klang durch Polyphonie und Mikrotonalität weiter vertieft und neue Schichten von Komplexität und Tiefe hinzugefügt. Ich habe psychedelische Elemente mit orchestralen Texturen verbunden, elektronische Schichten mit anatolischen Grooves kombiniert und Kompositionen erschaffen, die sich in einem theatralischen Rahmen entfalten können. 

Es gibt Momente hypnotischer Intensität, rohe Punk-Energie und tief melancholische Wellen. Die Songs dienen nicht nur der Unterstützung der Erzählung – sie treiben sie voran, verändern die Atmosphäre wie eine unsichtbare Figur.

Die Sängerin, Songwriterin, Komponistin und Produzentin Gaye Su Akyol verbindet die Gegensätze von traditioneller anatolischer Musik, klassischer türkischer Musik, Psychedelia, Surf Rock und Post Punk mit ihrem futuristischen Ansatz. Gaye Su Akyol, die 2014 ihr Debütalbum Develerle Yaşıyorum (Ich lebe mit Kamelen) veröffentlichte, definiert ihre Musik als »universell im Konzept, lokal im Geist«. 

2016 veröffentlichte sie ihr erstes internationales Album Hologram İmparatorluğu (Hologram Empire) beim deutschen Plattenlabel Glitterbeat und dem in Istanbul ansässigen Label Dunganga Records, das sie zusammen mit Ali Güçlü Şimşek gegründet hat. Das Album erhielt begeisterte Kritiken unter anderm in The New York Times, Pitchfork, The Observer, The Guardian oder The Wire. 

Die Texte und die Musik ihres dritten Albums, İstikrarlı Hayal Hakikattir, das 2018 erschien und das sie als »eine Praxis des Träumens« beschreibt, sind ihre eigenen, und wie schon bei ihren beiden ersten Alben zeichnet sie auch für Produktion und Art Direction verantwortlich.

Was erhoffst du dir, löst deine Musik in den Menschen aus?

Gaye Su Akyol: Freiheit. Eine grenzenlose Vorstellungskraft. Den Mut, ihre eigene Realität zu erschaffen. Ich möchte, dass meine Musik ein Portal ist – ein Fluchtweg, aber auch ein Aufruf zum Handeln. 

Egal, ob sie jemanden zum Tanzen, Weinen, Träumen oder Kämpfen bringt –, ich möchte, dass sie etwas Urtümliches, etwas Ungezähmtes erweckt. Kunst besitzt die Kraft, Welten neu zu formen, und wenn auch nur eine Person mit einem stärkeren Gefühl für ihre eigene Wahrheit aus meiner Musik hervorgeht, dann habe ich erreicht, was ich mir vorgenommen habe.